Schon 2016 ist Abdulai aus Sierra Leone nach Deutschland geflüchtet. Seitdem wartet er auf eine Arbeitserlaubnis. Abdulai will unbedingt Krankenpfleger werden, aber er darf nicht. Es fehlt ihm dafür ein Stück Papier.
Es hat lange gedauert, bis die Behörden hier überhaupt akzeptiert haben, dass Abdulai schwul ist. Mit 19 ist er aus seinem Heimatland Sierra Leone geflohen, weil die Menschen ihm dort das Leben zur Hölle gemacht haben. Mit Steinen hätten sie nach ihm geworfen, ihm mit dem Tode gedroht, erzählt der 24-Jährige, der seit 2017 von der Geflüchtetenberatung im Sub betreut wird.
Am 20. August 2016 hat Abdulai (Foto: Kai Kundrath) seine Heimatstadt Freetown verlassen. Er floh über Guinea, Mali, Burkina Faso, Niger bis nach Libyen, wo er mit einem Boot übers Mittelmeer nach Italien übersetzte – ein Horrortrip. Am 28. Dezember desselben Jahres landete er endlich in München, beantragte Asyl. Seitdem wartet Abdulai.
Abdulai sagt, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge BAMF habe inzwischen verstanden, dass er tatsächlich schwul sei. Asyl gewähren wollen sie ihm trotzdem nicht. Sierra Leone stellt Sex unter Männern zwar unter Strafe, angewandt werde das Gesetz aus der Kolonialzeit aber nicht. Allerdings sind Politik und Gesellschaft des Landes derart homophob, dass ein selbstbestimmtes Leben für schwule Männer völlig unmöglich ist. Es drohen Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt, wie der LSVD vor Kurzem in einer Stellungnahme dargelegt hat. Abdulai hat das am eigenen Leib erfahren. Für die deutschen Behörden aber reichen diese Argumente nicht.
"Zum Thema Asyl für Homosexuelle in Sierra Leone besteht leider aktuell keine Bereitschaft der Gerichte in Bayern, das Leid dieser Menschen dort anzuerkennen", sagt Abdulais Rechtsanwältin Ronja Corell.
Hätte Abdulai einen Pass, wäre er aus Deutschland wohl längst abgeschoben worden. Im Moment ist er deshalb geduldet. In Sierra Leone hat er nie Ausweispapiere bekommen: Das Verfahren dafür, so die Anwältin, sei dort nicht ganz einfach und ohne Gefälligkeiten gegenüber den Beamt*innen ohnehin aussichtslos. Es ist sein Glück, denn ohne Pass kann Abdulai, da seine Identität ungeklärt ist, nicht des Landes verwiesen werden. Es ist aber auch sein Unglück, denn ohne Pass bekommt er hierzulande keine Arbeitserlaubnis. Die Ausländerbehörde, die hier einen Ermessensspielraum hätte, nutzt ihn nicht.
Dabei ist Abdulai durchaus willig. Er spricht sehr gut deutsch (auf B2-Niveau), hat seinen Mittelschulabschluss geschafft und will unbedingt als Krankenpfleger arbeiten. Eine Ausbildung zum Pfleger hätte er vor Jahren schon in Landshut machen können, wo er bis heute in einem Geflüchtetenlager untergebracht ist, unter Menschen übrigens, die ihn seiner Homosexualität wegen drangsalieren. Die Stelle als Azubi durfte er nie antreten. Dabei zeigt sich Abdulai auch gegenüber den Behörden kooperativ: Erst im Herbst hat er sich einer Botschaftsdelegation aus Sierra Leone vorgestellt, um mitzuhelfen, seine Identität zu klären. Die Vorladung der Regierung von Oberbayern an eine ganze Reihe Geflüchteter aus Sierra Leone führte zu Protesten der Betroffenen.
Abdulai sagt: "Seit fünf Jahren warte ich darauf, dass etwas passiert. Ich möchte mich wirklich gerne um ältere Menschen kümmern, aber man lässt mich nicht. Das ist frustrierend." Er wirkt deprimiert.
Das Sub macht jetzt Druck (oben: Bild von der Pressekonferenz am 26. Januar 2022; Foto: Kai Kundrath). "Es kann nicht sein, dass wir in einem Land mit Pflegenotstand auf eine helfende Hand wie Abdulai verzichten", sagt der im Sub für Abdulai zuständige Berater Yury Snigirev. Die Verantwortlichen müssten hier dringend eine Ausnahmegenehmigung erteilen. Anwältin Corell sagt, Abdulai habe bereits einen neuen Arbeitsvertrag angeboten bekommen. Das zeige doch, wie gut der junge Mann in Deutschland bereits integriert sei.