Robin Bauer, Professor für Soziale Arbeit an der DHBW Stuttgart, referiert in der Männer*Akademie am 11. Februar über Fetisch, Sado-Maso und Spielarten. Um 19.30 Uhr geht's los. Wir haben mit ihm gesprochen.
BDSM steht für eine große Bandbreite an sexuellen Praxen und Beziehungen, die aus der Norm fallen. Dabei geht es unter anderem um das einvernehmliche und lustvolle Spiel mit Machtgefällen, Schmerzen, Fesselung, Erniedrigung und generell um das Ausloten allerlei Grenzen – mal spielerisch-humorvoll, mal ernst und tiefgründig.
Auch für das Experimentieren mit unterschiedlichen Formen von Männlichkeiten inklusive trans* Männlichkeiten bietet BDSM einen Raum, sei es durch auf die Spitze getriebene Klischees oder das Aufbrechen derselben. Vom harten Lederkerl bis zum Cross Dressing findet sich alles.
In seinem Vortrag wird Robin Bauer die Grundlagen von BDSM darstellen (ethische Codes in den Communitys, Umgang mit Grenzen etc.) und dann auf die Frage von Männlichkeiten im BDSM-Kontext eingehen. Der Referent ist Professor für Soziale Arbeit an der DHBW Stuttgart für Wissenschaftstheorien und Theorien der Diversität. Wir hatten Gelegenheit, ihm (Bild unten) vorab ein paar Fragen zu stellen:
Robin, welche Rolle spielt BDSM in der queeren bzw. schwulen Community?
Historisch schon immer eine umstrittene: Einerseits waren die schwulen Lederkerle schon immer Teil der Community und standen auch oft für eine “kerlige” Form der Männlichkeit als (vermeintliches?) Gegenstück zur Tunte.
Anderseits gab es auch schon immer Vorurteile und Vorbehalte gerade gegenüber BDSM im engeren Sinne, der über den reinen Fetischaspekt hinausgeht, nicht nur in der feministisch gesprägten Lesbenszene, auch unter Schwulen. Die Lederkerle und BDSM*innen stehen immer wieder im Verdacht, das Image der Szene zu beschmuddeln im Sinne von "good queers" gegen "bad queers".
Warum ist BDSM eventuell gerade wichtig für schwule Männer* und andere queere Menschen. Hat das etwas damit zu tun, sich aus überkommenen Geschlechterrollen zu befreien?
Mit Befreiung hat es vielleicht insofern etwas zu tun, als BDSM auch immer mit einer sex-positiven Haltung assoziiert wird und gegen die Normen der Mehrheitsgesellschaft verstößt, die Grenzen dessen, was als sexuell gilt, pusht. Schwule Männer und queere Menschen verstoßen ja schon durch ihre pure Existenz gegen viele Normen der Heterowelt. Meine Forschung hat gezeigt, dass es deswegen für sie naheliegt, auch andere Normen zu hinterfragen und mit Sexualität, Geschlecht und Beziehungsformen zu experimentieren.
Gleichzeitig wurde und wird zum Beispiel schwulen Männern ihre Männlichkeit aufgrund ihres Schwulseins abgesprochen, und trans* Männern aufgrund ihres Trans*-Seins. Das kann zu Verletzungen führen, die irgendwie bearbeitet werden wollen. Manche wollen sich Männlichkeit auf ihre Art und Weise wieder aneignen, andere spielerisch dekonstruieren. Und für all das bietet BDSM ein reizvolles Spielfeld.
Wie offen kann mensch heute damit umgehen? Gibt es noch Tabus, Stigmata?
BDSM ist einerseits schon längst hipper Teil der Popkultur und darf gefühlt in keinem Musikvideo fehlen. Andererseits werden bestimmte Formen von BDSM weiterhin pathologisiert oder als "zu extrem" diffamiert. In meiner Forschung haben die meisten BDSM-Praktizierenden berichtet, dass sie ihre BDSM-Vorlieben sehr viel geheimer halten als ihre sexuelle Orientierung und mit nur sehr ausgesuchten Personen teilen.
Hier ist die Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierug noch groß und das durchaus berechtigt, weil hier teilweise auch schlechte Erfahrungen mit einem Offenlegen gemacht wurden. Aber das hängt natürlich von der individuellen Lebenslage ab: Arbeite ich etwa im Kindergarten oder in einer schwulen Kneipe?
Würdest du sagen: BDSM ist in gewisser Weise gesund, weil man aus seinen Grenzen ausbricht und seine Fantasien auslebt?
Die Studien, die die psychische Gesundheit von BDSM-Praktizierenden untersucht haben, kamen teilweise zum Ergebnis, dass BDSM-Praktizierende sich in der Hinsicht nicht vom Rest der Bevölkerung unterscheiden, aber teilweise auch tatsächlich zu der Erkenntnis, dass BDSM-Praktizierende durchschnittlich psychisch gesunder sind als der Durchschnitt der Bevölkerung. Auch kann das Praktizieren von BDSM wohl die Intimität in einer Beziehung erhöhen.
Dafür gibt es unterschiedliche Erklärungsversuche, von biochemischen, die mit Endorphin-Ausschüttung bei bestimmten Praxen zu tun haben, über meditative Zustände, die erreicht werden, bis zu Theorien über die therapeutischen Wirkung von BDSM als ein Raum zum Durch- und Aufarbeiten von Traumata oder zum Integrieren abgespaltener Teile der Psyche, aber auch einfach “Escapism”, also das Eintauchen in außeralltägliche Welten, um die Sorgen des Alltags hinter sich zu lassen.
Du sprichst ja auch über Männlichkeit und Männlichkeitsrollen in deinem Vortrag. Das ist spannend. Worum geht es da?
BDSM ist ja sehr vielfältig, aber ein wesentliches Elemtent vieler BDSM-Begegnungen ist das einvernehmliche Spiel mit Macht. Und Männlichkeit ist eng und intim mit gesellschaftlicher Macht verbunden. Daher wird im BDSM auch häufig mit Inszenierungen von "übertriebener" Männlichkeit gespielt, zum Beispiel um Dominanz glaubhaft und sexy zu verkörpern. Aber nicht nur – die eigene Männlichkeit kann auch gerade durch die Bottom-Rolle “bewiesen” werden, indem mann zeigt, dass mann besonders gut und viel einstecken kann. Eins meiner Lieblingsbücher über BDSM vom schwulen Theaterwissenschaftler David Savran heißt passenderweise "Taking it like a man". Dort argumentiert er für mich überzeugend, dass ein gewisser Masochismus schon immer Teil von Männlichkeitsbildern war.
Oder BDSM dient umgekehrt gerade dazu, stereotype Männlichkeit zu hinterfragen und eigene, queere Formen von Männlichkeit zu erfinden und zu verkörpern. Das findet aber eher in trans-queeren Szenen als im traditionellen schwulen Kontext statt. Allerdings sind die Grenzen zwischen diesen Szenen ja auch zunehmend fließend.
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