Immer häufiger lehnen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, kurz BAMF, sowie das Verwaltungsgericht Asylanträge queerer Menschen ab. Das zumindest beobachten die Beratungsstellen für Geflüchtete von LeTRa und Sub in München. Werden die Betroffenen zurückgeschickt, droht im schlimmsten Falle die Todesstrafe.
Mit eindringlichen Appellen an Behörden, Gerichte und die Zivilbevölkerung haben wir am Mittwoch, 27. November, im Rahmen einer Pressekonferenz mit den Kolleg*innen von LeTRa versucht, die Abschiebung queerer Geflüchteter aus Uganda zu verhindern. In Uganda ist Homosexualität strafbar, Betroffene und ihre Unterstützer*innen müssen mit Haft, seit 2023 sogar der Todesstrafe rechnen.
Mit dem so genannten Anti Homosexuality Act können Fälle „schwerer Homosexualität“ in Uganda seit vergangenem Jahr zu Todesurteilen führen. Das neue Gesetz kriminalisiert auch jegliche Unterstützung für homosexuelle Personen und verhängt dafür bis zu 20 Jahre Gefängnis. Religiöse, politische Autoritäten sowie Medien schüren Hass und Vorurteile gegenüber queeren Menschen, was zu einer Zunahme von Gewalt und Diskriminierung geführt hat. Viele sind gezwungen, ihr Heimatland zu verlassen.
Wie dringlich die Lage ist, zeigen Statistiken: Bis Anfang 2023 betreute die Geflüchtetenberatung von LeTRa 208 Klient*innen. Nach Einführung des Anti Homosexuality Act sprang die Zahl auf 390; aktuell liegt sie bei 595. Die Sub-Geflüchtetenberatung betreute im Jahr 2023 exakt 199 neue Klienten; 2024 waren es schon 289. MEHR ZUR SITUATION VON LGBTIQ* IN UGANDA
„Wir beobachten, dass queere Personen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sowie dem Verwaltungsgericht immer häufiger abgelehnt werden, weil ihnen nicht geglaubt wird, dass sie lesbisch, schwul, trans* oder queer sind“, sagt Annina von der Geflüchtetenberatung im Sub. Die Anerkennungsquote in Asylverfahren liege unter zehn Prozent.
Das Problem sei die Art und Weise, wie die Behörden bei der Befragung vorgingen. So arbeiteten sie im Wesentlichen mit einem Fragebogen, dessen Hauptteil darauf abziele, herauszufinden, ob die Antragsteller*innen einen "inneren Konflikt" erlebten, als sie ihr Coming Out hatten. Als glaubwürdig gilt, wer so einen Konflikt formulieren kann.
„Dazu sind aber viele einfach nicht in der Lage“, sagt Julia Serdarov von der Geflüchtetenberatung bei LeTRa. Auch hierzulande falle es schließlich vielen Menschen nicht leicht, reflektiert über ihre Gefühle zu sprechen. Wie schwer aber tun sich erst Geflüchtete aus einem anderen Kulturkreis damit, sich gegenüber ihnen völlig unbekannten Beamt*innen und Richter*innen zu öffnen, um über ein aus ihrer Sicht intimes, vielfach schambehaftetes Thema zu sprechen?!
„Dafür müssten sie, was die eigene sexuelle Orientierung oder Gender-Identität angeht, schon sehr empowert sein“, betont Julia. Und das trifft in den seltensten Fällen zu: Jeder dritte Klient der Sub-Beratungsstelle etwa ist suizidgefährdet.
Es ist außerdem fraglich, inwieweit Geflüchtete sich wirklich erklären können, wenn für ihre Muttersprache keine Dolmetscher*innen zur Verfügung stehen und die Betroffenen gezwungen sind, eine Zweitsprache zu bemühen. „Es kann durchaus passieren, dass Geflüchtete in eben dieser Zweitsprache nur begrenzte Kenntnisse haben, was es erschwert, Emotionen und komplexe Erlebnisse auszudrücken“, sagt Annina. Außerdem hielten sie sich aus Angst vor Missverständnissen oft zurück oder vereinfachten ihre Aussagen, wodurch wichtige Details verloren gingen.
Dazu kommt: Nach Traumata werden Erinnerungen eher fragmentarisch abgespeichert. Tatsächlich erwartet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge aber eine exakte chronologische Erzählung der Fluchtgeschichte.
Wie hart die Ignoranz deutscher Behörden die Menschen trifft, zeigen die Berichte Betroffener. Im Sub sprachen drei Menschen vor:
Patience Musiimenta, 34 Jahre alt, kam 2021 nach Deutschland. Bei ihrem ersten BAMF-Interview traute sie sich nicht zu erzählen, dass sie lesbisch ist, und wurde abgelehnt. Im August dieses Jahres war dann die Verhandlung beim Verwaltungsgericht dazu. Auch dort hat sie ihre sexuelle Orientierung lieber verschwiegen – auf Rat des Anwalts hin, um nicht unglaubwürdig zu erscheinen. Sie wurde abermals abgelehnt. In ihrer ersten Geflüchtetenunterkunft hat Patience heftige Anfeindungen und körperliche Angriffe erlebt, bis LeTRa sie in eine Frauenunterkunft in München vermitteln konnte. Die Mutter einer Tochter (2 Jahre) ist bei LeTRa in Beratung.
Phionah Namara, 39 Jahre alt, lebt mit ihren zwei Kindern – einer Tochter von vier und einem Sohn von sieben Jahren – in einer bayerischen Kleinstadt. Sie hat die Kinder zusammen mit einem schwulen Mann. Namara kam 2012 nach Deutschland, brachte beim BAMF vor, dass sie lesbisch ist. Geglaubt hat ihr das Amt nicht; der Asylantrag wurde abgelehnt. Sie klagte und verlor 2021 vor dem Verwaltungsgericht. Im selben Jahr hat die Polizei versucht, sie und ihre Kinder abzuschieben, und scheiterte, weil sich Phionah zur Wehr setzte. Phionah wird von LeTRa betreut.
Ronnaldss Washington Ckheumbe, 27 Jahre alt, sucht in Deutschland Schutz, weil er in seinem Heimatland Uganda permanent bedroht wurde und Angriffen ausgesetzt war. Seine Familie wurde politisch verfolgt, er selbst durch eine Schusswaffe verletzt. Eine von ihm gegründete Fußball-Akademie musste schließen, weil ihm die Behörden vorwarfen, dort Homosexualität zu propagieren. Kaum in Europa, wurde er Opfer von Zwangsprostitution. Heute könnte Washington als schwuler Mann frei leben. Das BAMF indes hat seinen Asylantrag abgelehnt, weil der Behörde Washingtons Homosexualität nicht glaubhaft erschien. Er hat Hilfe im Sub gesucht.
Alle drei fordern die deutschen Behörden und Gerichte auf, die Lebensrealität queerer Geflüchteter aus Uganda anzuerkennen und die eindeutige Rechtslage vor Ort bei ihren Beschlüssen zu berücksichtigen. Damit queere Flüchtlinge Schutz finden und sich in Deutschland ein neues, selbstbestimmtes Leben aufbauen können!