So politisch wird der CSD 2024 in München

Am 22./23. Juni geht die queere Community wieder für gleiche Rechte und Akzeptanz auf die Straße. In diesem Jahr verfolgen wir - das Sub ist Mitveranstalter - aber noch ein anderes Anliegen: gegen den Rechtsruck zu protestieren.

Die Europawahlen stehen an, im Herbst einige wichtige Landtags-, nicht zu sprechen von den Präsidentschaftswahlen in den USA. Dazu die Kriege in der Ukraine und Israel!

Dieses Jahr könnte für unsere westlichen Demokratien zur Bewährungsprobe werden. Spätestens seit den Enthüllungen des Recherche-Teams Correctiv dürften alle wissen: Die Gefahr kommt von Rechts!

Für Demokratie und Freiheit

Mit dem Motto "Vereint in Vielfalt – gemeinsam gegen Rechts" positioniert sich der CSD in München in diesem Jahr sehr eindeutig für Demokratie und Freiheit. Wir rufen als Mitveranstalter*innen dazu auf, spätestens am CSD-Wochenende vom 22. auf den 23. Juni sichtbar für diese Mission einzustehen. Das geht aber auch schon früher: Die PrideWeeks beginnen bereits am 8. Juni.

Community-Bühne auf dem CSD 2023. Foto: Bethel Fath

Dominik Krause, Zweiter Bürgermeister der Landeshauptstadt, freut sich darauf - insbesondere auf die PolitParade. "Es wird das erste Mal sein, dass ich den Zug gemeinsam mit dem Schirmherrn, Oberbürgermeister Dieter Reiter, als Bürgermeister begleite. Überhaupt ist es das erste Mal, dass ein schwuler Münchner Bürgermeister bei der PolitParade mit vorneweg laufen darf."

Aber in diese Freude mischten sich auch andere Gefühle. Dominik spielt auf queerfeindliche Debatten, die angespannte gesellschaftliche Stimmung an. Als vulnerable Gruppe spüren queere Menschen sofort, wenn Leben und Freiheit bedroht sind.

Deshalb sei es auch so wichtig, zusammenzustehen, mit der Zivilgesellschaft wie innerhalb der Community, sagt Thomas Niederbühl, Rosa-Liste-Stadtrat und politischer Sprecher des CSD München. "Jeder Angriff auf einen Teil unserer Community ist ein Angriff auf unsere queere Community als Ganzes und damit auf jede*n einzelne*n von uns." Aus diesem Grund zeige sich München auch solidarisch mit der queeren Community in seinen Partnerstädten Kyjiw und Be’er Sheva.

Gesellschaftspolitisches Klima führt zu Gewalt gegenüber LGBTIQ*

Wie Statistiken der bayernweiten Fachstelle Strong! gegen Diskriminierung und Gewalt zeigen, ist die Gefahr real. Übergriffe gegenüber LGBTIQ* nehmen zu, treten zumindest mehr zu Tage.

Demnach wurden 2023 bei Strong! 230 Vorfälle gemeldet - das sind 71 mehr als im Vorjahr. Die Dunkelziffer dürfte sehr viel höher liegen: Es geht um Beleidigungen, Bedrohungen, Diskriminierung, aber auch um tätliche Angriffe.

Hauptbühne am Marienplatz, CSD 2023. Foto: Bethel Fath

"Die rechte Stimmungsmache versucht, Menschen in Kategorien zu pressen und eine vermeintliche Norm zu propagieren, die als einzig gültige gilt", sagt Julia Bomsdorf, Sprecher*in von LesCommunity, einem von fünf Trägervereinen des CSD München. "Das lehnen wir kategorisch ab!"

Denn Demokratie, ergänzt Katja Foerderer, Bomsdorfs Kollegin vom Lesbisch-Queeren Zentrum LeZ, beinhalte "freie Entfaltung und Selbstbestimmtheit eines jeden Menschen."

Beleidigungen und Pfefferspray

Stephan Platek hat das vergangenes Jahr am eigenen Leib erfahren. Der Aktivist aus der Fetisch-Szene, der es 2023 mit "The Ladies and the Tramps" aufs Cover des PrideGuide geschafft hatte, war auf dem CSD mit Freund*innen unterwegs, als ihn jemand erkannte, als "Schwuchtel" beschimpfte und dann mit Pfefferspray angriff.

Team Live-Stream, CSD 2023. Foto: Bethel Fath

Trotz des Schocks hat sich Stephan entschieden, nicht klein beizugeben. Im Gegenteil: Er hat sich im März als Bavarian Mr. Leather 2024 zur Wahl gestellt und gewonnen. "Ich möchte das Mandat nutzen, um die Community zusammenzubringen und gesellschaftliche Vielfalt zu feiern. Wir müssen uns gegen diejenigen wehren, die unsere Freiheit einschränken wollen."

Der Bavarian Mr. Leather - den Titel hatte einst der Münchner Löwen-Club MLC ins Leben gerufen - vertritt nicht nur die Fetisch-Szene in Bayern, sondern die Anliegen der gesamten LGBTIQ*-Community in Deutschland und europaweit. Die Amtsinhaber sind als Botschafter deshalb viel unterwegs.

Studie: Deutschland zeigt sich gegenüber LGBTIQ* (noch) tolerant

Was Stephan da erlebt hat, ist kein Einzelfall. Vergangenes Jahr gab es im Umfeld der bayerischen CSDs etliche homo- und trans*-feindliche Vorfälle, wie die Fachstelle Strong! meldet.

Dabei ist die Akzeptanz queerer Lebensweisen in Deutschland in den vergangenen Jahren sogar leicht gestiegen, wie eine aktuelle Studie des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Ipsos ("LGBT+ Pride 2024") feststellt. So sagen 47 Prozent der Befragten, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans* und inter* Menschen offen mit ihrer sexuellen Orientierung und Gender-Identität umgehen sollten. 71 Prozent unterstützen die Ehe für alle und 73 Prozent stehen zum Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare.

Betrachtet man die Ergebnisse im internationalen Vergleich, ist allerdings nicht sicher, dass das so bleibt. "Weltweit nämlich geht die Unterstützung für LGBTIQ* zurück, so ausgerechnet in den USA, Großbritannien, Kanada und den Niederlanden", sagt Dr. Markus Eberl, Chief Analytics Officer von Ipsos in München.

In einer internationalen Vergleichsstudie hat das Institut außerdem herausgefunden, dass in Deutschland das Potenzial für Populismus groß ist. Sollten von dieser Stimmung rechte Parteien profitieren, wäre das für LGBTIQ* eine gefährliche Entwicklung. Sie leiden als Minderheit als erste unter populistischen Regierungen, wie die Erfahrungen etwa in Polen oder Ungarn zeigen.

Ein Warnsignal auch: Im weltweiten Durchschnitt ist die Akzeptanz für LGBTIQ* gerade in der jungen Generation unter Männern der Generation Z geringer als bei Millennials ihres Geschlechts, während junge Frauen von Generation zu Generation offenbar immer toleranter werden.

PrideWeeks mit über 100 Veranstaltungen

Auf diese Herausforderungen, den Kampf gegen Rechts, das Ringen um gleiche Rechte und Akzeptanz, will der CSD in diesem Jahr aufmerksam machen, wenn am 8. Juni die PrideWeeks beginnen. Der CSD versteht sich dabei als Plattform für alle queeren Menschen, LGBTIQ*-Organisationen und Verbündete, die in dieser Zeit die Vielfalt in unserem Land feiern.

Vom 8. bis 23. Juni lädt Münchens Community zu Ausstellungen, Sport, Kino, Poetry Slams, Führungen, Konzerten, Drag Shows, Gottesdiensten, Partys und vielem MEHR

PolitParade auf neuer Strecke

Den Höhepunkt der beiden PrideWeeks bildet am 22. Juni die PolitParade, wenn Tausende Menschen vom Mariahilfplatz durchs Szeneviertel und über den Altstadtring an Sendlinger Tor und Stachus vorbei bis zum Maximiliansplatz ziehen, um sichtbar ihre Forderungen zu stellen.

Der Größe wegen läuft die Demo inzwischen nicht mehr durch die engen Gassen des Gärtnerplatzdistrikts, dafür ist die Strecke mit 3,7 Kilometern etwas länger als im Vorjahr. Exakt 209 Gruppen haben sich angemeldet. MEHR

PartyArea neu am Odeonsplatz

Nördlich der Feldherrenhalle wächst der CSD weiter in die Stadt hinein: Neben einer neuen, dritten Bühne am Wittelsbacherplatz bekommt auch die PartyArea eine neue Location. Getanzt wird künftig am Odeonsplatz – und das zwei Tage lang. So ist mehr Dance Floor für alle! MEHR

Straßenfest mit mehr Kultur

Die Bühne am Wittelsbacherplatz ergänzt die Programme der Main Stage am Marienplatz mit ihren queeren Live Acts und die Talks auf der Community-Bühne in der Kaufinger Straße um elektronische Musik und Beiträge aus der Münchner Drag-Szene – allerdings nur am Samstag. Das Programm wird so nochmal vielfältiger. MEHR

50 Jahre MLC – Fest am Rindermarkt

Der Rindermarkt ist zurück. Was der CSD früher als PartyArea genutzt hat, bietet heuer dem Münchner Löwen-Club MLC, Europas größtem schwulen Fetisch-Verein, Platz für sein 50-jähriges Jubiläum.

Der CSD hat dem Club den Rindermarkt aus diesem Anlass einmalig überlassen. Der MLC bespielt ihn jetzt zwei Tage lang mit Shows, Spielen, Diskussionen, Kultur und Party. Viele weitere befreundete queere Fetisch-Gruppen wurden eingeladen und haben ihr Kommen zugesagt. MEHR

RegenbogenfamilienArea

Was an vertrautem Orte verbleibt, ist die RegenbogenfamilienArea. Seit über zehn Jahren ist sie nun schon Bestandteil des Münchner CSD. Am Frauenplatz vor dem Dom gibt es am Samstag Unterhaltung für die Kids und eine Verschnaufspause für die Eltern, wenn sie sie brauchen, mit etlichen Angeboten für Information und Austausch. MEHR

Straßenfest mit mehr Infoständen und Inklusions-Zelt

Das zweitägige Straßenfest hält das ganze Geschehen in der Innenstadt mit den drei Bühnenprogrammen, den Gastro- und Infoständen zusammen. Für letztere haben sich mehr Gruppen, Organisationen und Vereine denn je angemeldet. Aktuell zählen die Veranstalter*Innen 87 Teilnehmer*innen in der Kaufinger-, Rosen-, Wein-, Theatinerstraße sowie am Rindermarkt.

Und unser Awareness- sowie - neu - ein Inklusions-Team am CSD-Infostand schauen, dass es vor Ort allen gut geht. MEHR

RathausClubbing

Nicht zuletzt feiert auch der CSD in diesem Jahr ein kleines Jubiläum. Die Party im Rathaus steigt in diesem Jahr am 22. Juni zum 20. Mal. Verschiedene Floors mit Music Styles für alle Geschmäcker warten auf sechs Floors: House, Techno, Pop & Schlager, Ballroom, all-time Favs und ein FLINTA* Power Floor des Wut Kollektivs. MEHR

Live-Stream

All das kriegen Fans des CSD, die es nicht in die Innenstadt schaffen, am Samstag (und danach im CSD-Kanal auf YouTube) übrigens auch live und in Farbe auf ihre Screens. Das Kamera-Team empfängt die Teilnehmer*innen der PolitParade am neuen Live-Stream-Spot in der Müllerstraße 26 vor dem LeZ. Später geht's dann zum Straßenfest am Marienplatz. Ergänzt werden die Beiträge um Live-Schaltungen zur Hauptbühne. MEHR

Schwestern der Perpetuellen Indulgenz. Foto: Bethel Fath

"Wir hoffen auf einen politisch empowernden, vielfältigen und vor allem friedlichen CSD", sagt Alexander Kluge, Geschäftsführer des CSD München. "Auf dass sich die ganze bunte und queer-solidarische Stadtgesellschaft hinter unserem Motto versammelt und wir gemeinsam für Demokratie und Freiheit einstehen."

Seit mehr als 40 Jahren demonstrieren LGBTIQ* in München für gleiche Rechte und Akzeptanz. Bei der größten Veranstaltung der Community im süddeutschen Raum, die getragen wird vom Lesbisch-Queeren Verein LesCommunity, dem Schwul-Queeren Zentrum Sub, der Münchner Aids-Hilfe, der Wähler*innen-Initiative Rosa Liste und der Jugendorganisation diversity München, finden innerhalb zweier PrideWeeks mehr als 100 Veranstaltungen (2024) statt. Höhepunkte sind die PolitParade mit zuletzt 520.000 Teilnehmer- und Zuschauer*innen (2023), das zweitägige Straßenfest rund um den Marienplatz und das Party-Event RathausClubbing.

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