LGBTIQ* erleben in Bayern tagtäglich Gewalt. Die Fachstelle Strong! im SUB will mit einer Plakatkampagne wachrütteln. Die Motive richten sich an Betroffene, sollen aber auch andere für das Thema sensibilisieren. Verschickt wurden sie unter anderem an Schulen, Beratungsstellen und soziale Einrichtungen.
Sprüche wie diesen hat wohl jeder queere Mensch schon mal gehört. "War doch nur ein Witz. Jetz hab‘ dich nicht so!". Als halbgare Entschuldigung nachgeschoben, wenn irgendwer aus dem Bekannten- oder Freund*innenkreis einen Scherz auf Kosten von LGBTIQ* gemacht hat.
Es sind solche Sätze, mit denen die LGBTIQ* Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt in Bayern, Strong!, ihre Aufklärungskampagne gestaltet hat. In diesen Tagen verteilt sie sie in ganz Bayern. Neben dem genannten Motiv gibt es zum Beispiel noch eines zu Regenbogenfamilien ("Wer ist denn überhaupt deine richtige Mutter?") und zum Coming-out ("Stress daheim seit deinem Coming-out?"). Zielgruppe sind Betroffene und ihr Umfeld.
"Wir wollen mit den Plakaten in Behörden, Schulen, Beratungsstellen, sozialen Einrichtungen, aber auch im Netz Betroffene erreichen, wenn sie Hilfe, Beratung und Unterstützung brauchen", sagt Michi Plaß, der die Fachstelle Strong! mit seiner Kollegin Bettina Glöggler bei uns im SUB leitet. Es gehe aber auch darum, Menschen für das Thema zu sensibilisieren, die potenziell jeden Tag mit Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans*, inter* und queeren Menschen zu tun haben.
Die Zahlen der Übergriffe auf die genannte Personengruppe steigen in Bayern seit Jahren, wie der jüngste Jahresbericht 2021 der Fachstelle Strong! zeigt. Das liegt sicher zum Teil daran, dass sich mehr Leute trauen, sie zu melden. Es ergibt sich aber auch aus den Beratungen, die Strong! am Hilfetelefon durchführt.
Insgesamt beweist die Statistik: Es besteht Handlungsbedarf! Für das vergangene Jahr erfasste Strong! 165 Vorfälle: Sie reichen von Beleidigungen (12 Fälle) über Bedrohung (29) und Tätlichkeiten (30) bis hin zu sexuellen Übergriffen. Die Erfahrung zeigt, dass es sich hier aber nur um einen Bruchteil der Fälle handeln kann.
Wo das passiert? Tatsächlich erleben die meisten die Öffentlichkeit als feindlich. 44 Prozent geben "Straße und Öffentlichen Personennahverkehr" an, wenn es um Tatorte geht. Zur Gefahr werden auch Unterkünfte für Geflüchtete (28), in denen LGBTIQ* oft auf ein ebenso homo- und/oder trans*-feindliches Umfeld treffen wie in ihrem Herkunftsland. Nicht wenige können sich aber auch im eigenen Zuhause nicht in Sicherheit wiegen, zum Beispiel beim Dating oder gar in der eigenen Beziehung (25). Das Elternhaus (12) kann, nach einem Outing, zum Problem werden. Am Arbeitsplatz, an der Uni oder der Schule treffen es immerhin 11 Prozent.
Wir appellieren an die Betroffenen, bei Diskriminierung und Gewalt Unterstützung zu holen. Über das bayernweite Hilfetelefon stehen wir beratend zur Seite. "Manchmal hilft es Betroffenen, den Vorfall einfach zu schildern, um sich bewusst zu machen, dass sie nichts falsch gemacht haben. Andere möchten Unterstützung bei einer polizeilichen Anzeige oder Informationen, wo sie weitere therapeutische oder juristische Hilfe in ihrer Wohnnähe bekommen können“, sagt Bettina.
Alle Anfragen werden vertraulich und individuell behandelt und orientieren sich an den Bedürfnissen der Anrufenden. Auch Bezugspersonen und andere Fachstellen nehmen das Angebot war. Schulen suchen zum Beispiel immer häufiger Beratung, wie sie trans* Schüler*innen gut unterstützen und ein diskriminierungsarmes Umfeld fördern können.
Strong! und SUB fordern seit Langem einen Aktionsplan gegen Homo- und Trans*-Feindlichkeit. In sämtlichen Bundesländern gibt es einen, nur in Bayern nicht. Am 17. Mai, dem Internationalen Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit, hatten wir dazu eine Petition gestartet, die Ihr hier zeichnen könnt.