Schwul-Queeres Zentrum: Das Interview

Nach jahrelangen Diskussionen unter Mitgliedern, Mitarbeiter*innen und im Vorstand hat das Sub in der Müllerstraße 14 im Januar ein neues Schild über seinen Eingang gehängt. Statt Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum steht da jetzt: Schwul-queeres Zentrum. Viele in der Community begrüßen das, aber eben nicht alle. Wir haben Sub-Geschäftsführer Kai Kundrath und Christopher Knoll von der Sub-Beratungsstelle zum Gespräch gebeten.


Kai, Christopher, warum hat sich das Sub umbenannt?

Kai: Das Sub als Verein heißt nach wie vor Schwules Kommunikations – und Kulturzentrum Sub e.V. Uns war es aber wichtig, das Zentrum als das zu bezeichnen, was es real ist: ein schwul-queeres Zentrum. Das Schwule verschwindet deshalb nicht.

Christopher: Ich würde weitergehen und sagen: Dahin wollen wir uns entwickeln. Wir sind primär, gerade in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit, noch überwiegend ein schwules Zentrum.

Christopher Knoll (l.) von der Sub-Beratungsstelle und Sub-Geschäftsführer Kai Kundrath. Foto: Frank Zuber

Kai: Ganz so ist es meiner Meinung nach nicht. Im Vergleich zu 2012, als wir hier eingezogen sind, sind wir deutlich queerer als früher. Also klar: Die Leute, die das Café besuchen, sind hauptsächlich schwul. Aber wir haben auch queere Angebote: Die Beratungsstelle ist offen für schwule, bisexuelle und trans* Männer, unsere Geflüchtetenberatung richtet sich an trans*-Personen, Strong! ist eine LGBTIQ*-Fachstelle gegen Diskriminierung und Gewalt. Ebenso werden die Gruppenräume von allen genutzt. Wir machen jetzt nicht plötzlich alles anders.

Das heißt: Queer meint hier einen Sammelbegriff für LGBTIQ* insgesamt. Um mal den Begriff zu definieren.
Christopher: Es ist mehr als nur ein Sammelbegriff. Ich verstehe „queer“ schon wie viele junge Menschen, nämlich einfach nicht heterosexistisch, aber sonst ganz offen. Das ist ein neues Phänomen. Männer meiner Generation sind eher nicht queer. Es gibt in der jungen Generation Bedarfe, schubladenfrei zu leben und wir wollen ein schubladenfreies Zentrum sein.

Kai: Aber wir wollen trotzdem das Schwule bewahren.

Also schwul, aber der Name dokumentiert nach außen eine Öffnung, die sich hier schon allmählich vollzogen hat. Warum muss man es dann trotzdem explizit benennen?

Kai: Ich finde schon, dass man ein Signal senden muss, dass wir neben schwulen Männern auch für die ganze Community stehen, dass alles ein bisschen offener wird, weil man auch gemeinsam an einem Ziel arbeitet. Das sieht man zum Beispiel auch an unseren Petitionen, mit denen wir uns an die Politik wenden, in denen wir die Anerkennung von queeren Geflüchteten als vulnerable Gruppe in Bayern fordern oder eben einen queeren Aktionsplan für Bayern.

Schreckt das Sub mit dem neuen Schild nicht das Stammpublikum ab, die Männer, die, sagen wir, seit 30 Jahren kommen?

Kai: Es kommt immer darauf an. Der eine liest "queer" und hat das Gefühl, das Sub ist nicht mehr schwul, nicht mehr seins und kriegt Angst. Andere Leute sehen vielleicht nur "queer" und denken dann: Das war längst überfällig. Erstmal: Es geht darum, einen Raum für alle zu schaffen und diejenigen, die Bedenken haben, nicht abzuhängen. Gleichzeitig wollen wir auch signalisieren, dass alle bei uns einen Platz haben.

Christopher: Ich verstehe, dass schwule Männer gerade meiner Generation so viele Änderungen in ihrer Szene erlebt haben und Angst bekommen, dass nun alles Schwule verschwindet. Das ist ja – wie gesagt – für mich und das Sub unsere Mission für die Zukunft: Alle so bei uns zu integrieren, dass sie spüren, dass es ihr Schutzraum ist.

Ds Sub beim IDaHoBIT 2023. Foto: Mark Kamin

Wenn man es aufs Schild schreibt, verändert sich auch automatisch was?

Christopher: Benennungen haben schon eine Auswirkung und für mich ist es kein Etikettenschwindel im Sinne von: Das klingt halt moderner und jünger. Meine Hoffnung ist, dass sich unsere Zielgruppe, die Klientel des Sub, dadurch wirklich ändert.

Kai: Dass es eben nicht nur rein schwul ist.

Geht es aber trotzdem darum, sich zu verjüngen?

Christopher: Ich hätte gerne, das Jüngere hier reinkommen. Ich finde, das Sub ist gesellschaftlich relevant und es wird nur relevant bleiben, wenn es die Breite der Gesellschaft abbildet. Und die Gesellschaft, in denen Schwule sich bewegen, ist einfach größer, bunter, vielfältiger geworden und diese Vielfalt wird momentan noch nicht so abgebildet.

Jemand hat gemeint, das Sub verzettelt sich als schwul-queeres Zentrum.

Kai: Ich kann die Kritik nicht nachvollziehen. Wir nehmen ja niemandem etwas weg, sondern addieren etwas hinzu.

Sub beim CSD 2023. Foto: Sub

Christopher: Ich denke, es ist eine Typsache. In meinen 20ern war die ganze Müllerstraße ausschließlich schwul. Auch der Look war immer gleich. Jetzt ist die Zeit vorangeschritten und es gibt welche, die das als Gewinn erleben, andere als Verlust. Ich bin ein alter, schwuler Mann und ich feiere das. Das ist nicht immer nur eine Konfrontationsgeschichte, sondern auch die Hoffnung, dass Dinge in Bewegung bleiben.

Kai: Ich muss aber sagen: Es hat sich hier nicht so entwickelt, dass es bunter wird, sondern das Viertel ist eher gay-friendly geworden. Das ist nicht nur eine lineare Veränderung hin zu: Die schwule Szene öffnet sich und ist jetzt mit Lesben und trans* Personen voll. Es wäre ja schön. Es ist eher: Es hat sich ins Internet verlagert; viele Orte brechen weg und es ist auch wieder heteronormativer.

Christopher: Aber man merkt, wie sehr die Menschen ein Bedürfnis nach Identifikation haben. Und das ist unsere Vermittlungsaufgabe, dass die Identifikation über diese Grenzen als schwuler Mann, lesbische Frau, trans* Person etc. hinaus funktionieren kann. Wir als queere Personen haben alle ähnliche Erfahrungen gemacht im Leben, "anders als die anderen" aufzuwachsen. Und auf dieser Ebene können wir queere Personen uns ebenfalls miteinander identifizieren.

Ähnliches erlebt heißt?

Christopher: Wir alle sind aufgewachsen und haben festgestellt: Man gehört nicht zum heterosexuellen Mainstream. Wir müssen unseren Weg erst finden. Das ist das Ding beim CSD. Der ist ja eigentlich kein Kommunikationsangebot an die Heteros, sondern an alle, die nicht heteronormativ sind, um zu zeigen: Du kannst du sein.

Veranstaltung im Sub. Foto: Mark Kamin

Kai: Hier in München hat es nach dem ersten CSD 1980 Jahre gedauert, bis sich die Community für ein Miteinander geöffnet hat. 2011 gab es den Versuch, lesbische Sichtbarkeit über die einmalige Umbenennung des CSD in 'Christina Street Day' zu schaffen – es gab einen Shitstorm dagegen. An diesem Beispiel hat man gesehen, wie wenig vereint die Community war. Heute kann man das teilweise auch noch beobachten. Aber: Wir müssen gemeinsam auftreten und solidarisch sein. Das bedeutet queere Community für mich. Genau das wollen wir vertreten.

Ihr habt von einer Vermittlungsaufgabe gesprochen. Wie schafft das Sub das?

Christopher: Wir brauchen neue Angebote. Neben der Männer- gibt es jetzt auch eine Queer-Akademie zum Beispiel. Die unterschiedliche Wahrnehmung der Begriffe und die Bewertung, was gut, was schlecht ist am Sub, an der Community, im Viertel, wird bleiben und auch das ist eine Geschichte, die wir hier mit diesen ganzen Prozessen moderieren müssen. Unsere Aufgabe als Zentrum ist es, hier eine Brücke zwischen den Generationen zu schlagen.

Top menuchevron-downcross-circle
linkedin facebook pinterest youtube rss twitter instagram facebook-blank rss-blank linkedin-blank pinterest youtube twitter instagram